Waschbären erobern den Donauraum

30. Mai 2023

Waschbären und Marderhunde auf Siegeszug durch Europa: Im 20. Jahrhundert wegen der Pelztierzucht auf den Kontinent gebracht, fühlen sich die Tiere schnell heimisch. In Niederösterreich breiten sie sich im Donauraum aus – dabei hilft ihnen die Klimakrise.

Foto Waschbär

Allesfresser, anpassungsfähig, nachtaktiv, keine natürlichen Feinde – die perfekten Voraussetzungen, um sich als Tier in einem Gebiet auszubreiten. Waschbären und Marderhund erfüllen diese Merkmale. Beide kamen im 20. Jahrhundert aus Pelztierfarmen aus, der Marderhund wurde aus Asien eingeschifft, der Waschbär aus Nordamerika.

Nun sind beide sogenannte „Neubürger“ – Tierarten, die bei uns nicht heimisch sind, sich aber schnell ausbreiten. Beim Waschbär kommt die Popularität des Tiers in Filmen – der berühmteste Waschbär derzeit ist wohl jener aus den Marvel-Firmen – und in Videos auf Social Media dazu.

Scheu ist der Kleinbär nämlich überhaupt nicht. Er nimmt alles, was er kriegen kann: In der Wildnis so gut wie alles, was essbar ist, in bewohntem Gebiet frisst er aus Mülltonnen oder quartiert sich auf Dachböden ein. „Beeren, Pilze, Abfallplätze, Mäusenester, Nester von Bodenbrütern – das sind vielfältige Speisepläne“, sagt Wildtierbiologe Klaus Hackländer, „und das macht es spannend, weil sie so relativ schnell Lebensräume besiedeln können.“

Voneinander lernen

Noch dazu lebt der Waschbär in Gruppen, er gilt als soziales Tier. Oft wird er als „lernfähig“ beschrieben, was eher Imitation sei, so der Leiter des BOKU-Instituts für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft: „Das ist ein Riesenvorteil. Wenn die Tiere in neue Lebensräume kommen, gibt es neue Herausforderungen zu meistern – wo gibt es Fressen, Ruhe, Sicherheit? Einer machts, die anderen sehen das und imitieren“, beschreibt Hackländer die Lebensweise.

Im Tierpark Buchenberg in Waidhofen an der Ybbs wurde eine Gruppe Waschbären gezähmt. Sie würden ähnlich auf Kommandos hören wie Hunde, sagt Tierpflegerin Johanna Schindler gegenüber noe.ORF.at. „Sie brauchen die richtige Belohnung, aber dann sind sie vom Lernen her wie Hunde.“ Als Haustiere sind sie natürlich trotzdem nicht geeignet, da sie etwa Würmer und Krankheiten in sich tragen.

Bedrohung für heimische Arten

In der Wildnis werden die Tiere in Niederösterreich vor allem im Donauraum gesichtet, sie leben gerne in der Nähe von Wasser – zum Leid der Sumpfschildkröte in den Donau-Auen. „Sie lieben deren Gelege, die sind im sandigen Boden. Der Waschbär budelt die Eier aus, da haben wir ein Riesenproblem, da müssen wir eingreifen“, warnt Hackländer.

Die neuen Arten führen zu einem Verdrängungswettbewerb: Mit Waschbär und Marderhund gibt es zwei neue Raubtiere. Heimische Arten leiden darunter – etwa alle Vögel, die am Boden brüten und ohnehin schon durch die Klimakrise bedroht sind. Der Waschbär hat keinen direkten Konkurrenten, aber der Marderhund und der heimische Fuchs kommen sich in die Quere. Die Zahl der Füchse geht zurück, wenn der Marderhund in ein Gebiet kommt, so Hackländer.

Einwanderer auf dem Vormarsch

Eine Studie ergab kürzlich, dass die verursachten Schäden durch eingeschleppte Tierarten – nicht nur in der Natur, sondern etwa auch an Häusern oder Autos – viel größer sind, als jene von Naturkatastrophen – mehr dazu in Schädlicher als Naturkatastrophen (science.ORF.at; 18.4.2023). Das Ausrotten von Marderhund und Waschbär in Europa ist aber nicht mehr möglich, sagt Wildtierbiologe Hackländer, und das Eindämmen bereits eine schwierige Aufgabe. Beide Tiere sind ganzjährig zum Abschuss freigegeben, was die Ausbreitung aber nicht wirklich verlangsamt, sagt Hackländer. Für Marderhund und Waschbär würde sich nur der Artenschutz interessieren: „Töten und Fangen dürfen nur Jäger, die sind aber eher an Beute interessiert, die sie nutzen können, wie gutes Wildbret zum Beispiel. Ich bin skeptisch, dass wir die Tiere loswerden, weil es praktisch sehr schwierig ist und in der Umsetzung die Leute fehlen, die das dann machen würden.“ Auch für die Pelze gebe es heutzutage keine Abnehmer mehr.

Milde Winter helfen zusätzlich

In Deutschland sind die Tiere quasi schon heimisch, dort meldete der Deutsche Jagdverband in der Vorsaison etwa 201.000 erlegte Waschbären und 27.800 Marderhunde. In Deutschland waren damals auch jene Pelzzuchten, aus denen die Tiere ausbrachen. „Die wachsen am Anfang ganz langsam und dann kommt eine schnelle Phase des Wachstums“, erklärt Hackländer, „ich gehe davon aus, gerade im Osten Österreichs, dass wir hier rasch eine Zunahme beider Arten haben werden.“

Klimatechnisch treffen die Tiere auf perfekte Bedingungen – auch zukünftig. Sie profitieren davon, wenn die Winter in Österreich durch die Klimakrise milder werden. Aktuell seien sie noch in den Tiefen zu finden, aber „es kann sein, wenn sie den optimalen Lebensraum besidelt haben, dass sie von dort abwandern in suboptimalere Lebensräume, die mit dem Klimawandel optimal für sie werden.“

So sei auch eine Besiedlung der Alpen nicht unwahrscheinlich, schätzt Hackländer die Lage ein. Mit der Klimakrise werden fremde Tier- und Pflanzenarten in Österreich heimisch, die das ansonsten nur schwer schaffen würden. Beim Waschbär und dem Marderhund passen auch alle anderen Bedingungen wie Lebensweise und Fressgewohnheiten. Und die natürlichen Feinde fehlen fast vollständig – der Wolf und der Bär.

Quelle:

Noe ORF vom 30.05.2023 (letzter Zugriff am 30.05.2023)